Die IG Metall fordert 8 Prozent mehr in diesem Jahr und begründet die Forderung damit, dass sich die Betriebe das leisten können. Stimmt das, können sich die Betriebe 8 Prozent mehr leisten?
Markus Simon: Wie die IG Metall zu diesem Schluss kommt, ist mir ein Rätsel. Die klare Sicht auf die Zahlen zeigt, dass unsere Unternehmen mit Kostensteigerungen zu kämpfen haben, die historisch sind und die es in der Geschichte der deutschen Textilindustrie noch nicht gegeben hat. Gleichzeitig können die Unternehmen diese Kostenexplosionen aber nicht auf die Preise aufschlagen, sonst kauft niemand ihre Produkte. Die Betriebe bleiben also auf den Kosten sitzen, viele im vierten Krisenjahr in Folge. Da gibt es keinen Spielraum, um eine historisch hohe Tarifforderung von 8 Prozent mehr in 12 Monaten einzupreisen.
Hauptargument für die Forderung ist für die IG Metall die hohe Inflation, die die Kaufkraft der Löhne und Gehälter schmälert. Müssen sich die Arbeitgeber angesichts der hohen Inflation also diesmal auf einen hohen Abschluss einstellen?
Markus Simon: Nein, da gibt es keinen Automatismus. In den vergangenen 10 Jahren waren die prozentualen Erhöhungen unserer Tarifabschlüsse im Schnitt doppelt so hoch wie die Inflation, Sonderzahlungen und Ähnliches noch nicht einmal eingerechnet. Ich hätte mal die IG Metall hören wollen, wenn wir in Jahren mit 0,5 Prozent Inflation nur ein halbes Prozent mehr angeboten hätten. Uns geht es darum, die sehr ernste Situation in den Unternehmen und die Belastungen der Arbeitnehmer durch die hohe Inflation in eine Balance zu bringen. Die Unternehmen müssen den Abschluss stemmen können, sonst hat dies auch fatale Folgen für die Arbeitsplätze.
Bei Mode wollen die Verbraucher in diesem Jahr sparen, auch bei Textil sind die Geschäftserwartung negativ angesichts der Rekordpreise für Energie und Rohstoffe– die Branche spricht von einem Schicksalsjahr. Was erwarten Sie von der IG Metall, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Krise gemeinsam meistern können?
Markus Simon: Lassen Sie es mich so sagen: Uns muss es in den Verhandlungen gelingen, auf der Basis der Zahlenlage pragmatische Schlüsse zu ziehen. Wir müssen mit der notwendigen Kompromissbereitschaft in sehr schwierigen Zeiten nach einer Lösung suchen. Wir haben großartige Textil- und Modeunternehmen, die einen wesentlichen Beitrag zu funktionierenden Liefer- und Wertschöpfungsketten in Europa leisten können. Wenn wir diese Unternehmen jetzt verlieren, dann wäre dies ein Schaden, der sich nicht wieder heilen lässt.
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